Was versteht man unter sozialen Ungleichheiten?

In den Geisteswissenschaften lautet eine der gängigsten Definitionen von sozialer Ungleichheit wie folgt:

„Soziale Ungleichheit ist das Ergebnis einer ungleichen Verteilung der Ressourcen einer Gesellschaft zwischen ihren Mitgliedern im mathematischen Sinn des Begriffs, die auf die eigenen Strukturen dieser Gesellschaft zurückzuführen ist und ein berechtigtes oder unberechtigtes Gefühl von Ungerechtigkeit bei ihren Mitglieder bewirkt.“ (Bihr, Alain, und Roland Pfefferkorn. Le système des inégalités. La Découverte, 2021)

Diese Definition beruft sich auf vier Hauptkomponenten: Eine ungleiche mathematische Aufteilung, unterschiedliche Ressourcen als Grundlage der Ungleichheit, die Tatsache, dass diese ungleiche Verteilung von der Gesellschaft selbst hervorgebracht wurde, und das Aufkommen eines Gefühls von Ungerechtigkeit.

Wenn man von ungleich aufgeteilten Ressourcen spricht, handelt es sich nicht nur um finanzielle Ressourcen (Einkommen und Vermögen), sondern ebenso um soziale, politische, bildungsbezogene Ressourcen usw. Eine Mehrdimensionalität der Ressourcen liegt den Ungleichheiten zugrunde.

Meist werden zwei Arten von Ungleichheit untersucht: Die Einkommensungleichheiten und die Vermögensungleichheiten bzw. die ungleiche Verteilung des Reichtums. Zur Erfassung ihrer Entwicklungen vergleichen Forscher Einkommensverteilungen (bzw. Vermögensverteilungen) und präsentieren die ermittelten Ergebnisse in Form von Indikatoren, darunter z. B. der Gini-Koeffizient, das Quantilverhältnis… Doch andere Formen von Ungleichheit sind schwieriger messbar. Das gilt z. B. für die Bereiche Gesundheit oder Bildung.

(letzte Aktualisierung am 11.09.2023)

Wie entwickeln sich Einkommensungleichheiten?

Einkommensungleichheiten sind vielleicht die bekannteste Form sozialer Ungleichheiten, da sie häufig in den Medien erörtert werden. Dabei werden drei Einkommensarten berücksichtigt: Erwerbseinkommen, Kapitalerträge oder Vermögenseinkommen sowie soziale Transferleistungen. Diese werden addiert und entsprechend der Zusammensetzung der Haushalte bereinigt, um sie vergleichbar zu machen.

Langfristig zeigt sich, dass die Einkommensungleichheiten in Luxemburg zunehmen. Beispielsweise das Quintilverhältnis, das sich aus dem Vergleich des Einkommensanteils der ärmsten 20 % der Bevölkerung (S20) mit dem Einkommensanteil der reichsten 20 % (S80) ergibt, steigt in Luxemburg seit Beginn der 2000er Jahre. 2003 lag das Verhältnis zwischen den jeweiligen Einkommensanteilen dieser beiden sozialen Gruppen bei 4, während sich der Abstand 2019 auf 5,34 vergrößert hat, um 2022 wieder auf 4,73 zu sinken. Jedoch verläuft das Wachstum dieses Indikators derart ungleichmäßig, dass man sich nicht zu früh über diesen Rückgang freuen sollte. In der Tat lässt sich langfristig beobachten, dass sich nach jeder Verbesserung des Quintilverhältnisses in den Folgejahren eine erheblichere Verschlimmerung einstellte.

Entwicklung des S80/S20-Verhältnisses

EU 27-Länder (ab 2020) / Quelle : Eurostat

Der Gini-Index, der ein weiteres Maß für die Einkommensungleichheit darstellt, indem er die Einkommensverteilung in der Gesellschaft zusammenfasst, zeigt ähnliche Ergebnisse, d. h. eine zunehmend ungleiche Verteilung der Einkommen in den letzten 20 Jahren. Bei einer vollkommen egalitären Einkommensverteilung wird der Gini-Index null; bei maximaler Ungleichheit (eine einzige Person würde über alle Einkommen verfügen) beträgt er 100. Je mehr sich der Gini-Index also dem Wert 100 nähert, desto größer ist die Ungleichheit in der Einkommensverteilung. In Luxemburg ist dieser jedoch zwischen 2003 und 2019 von 27,5 auf 32,3 gestiegen und wird bis 2022 wieder auf 29,5 sinken. Wie das Interquintilverhältnis S80/S20 zeigt auch der Gini-Index ein langfristiges Wachstum der Ungleichheit.

Entwicklung des Gini-Index

Quelle : Eurostat

Die Beobachtung des Gini-Indexes vor und nach Steuerabzug und Auszahlung der sozialen Transferleistungen veranschaulicht die Rolle des Staates beim Abbau sozialer Ungleichheiten. 2022 verringert sich der Gini-Koeffizient nämlich um beinahe 34 %, indem er durch die steuerbedingte Umverteilung und die Auszahlung von Sozialleistungen von 45 in Bezug auf die Primärverteilung der Bruttoeinkommen („Markteinkommen“) auf 29,5 sinkt, während beispielsweise 2015 die Verringerung 40 % ausmachte. Diese Minderung der Auswirkungen sozialer Transferleistungen spiegelt eine allgemeine Tendenz in Luxemburg: Während die Berücksichtigung von Transferleistungen und Steuern früher das Bild eines effizienten Instruments zum Abbau von Einkommensungleichheiten vermittelte, stellt sich die Situation heute anders dar. Tatsächlich droht die Rolle der Transferleistungen zugunsten der Haushalte seit 2010 bei der Bekämpfung von Ungleichheiten erheblich an Bedeutung zu verlieren.

Gini-Index vor und nach der Auszahlung sozialer Transferleistungen, 2022

Quelle: Eurostat

Um die Entwicklung der Ungleichheiten noch genauer aufzuzeigen, ist die ergänzende Analyse von Quantilverhältnissen interessant. Das zuvor erläuterte S80/S20-Verhältnis sagt nämlich nichts aus über Entwicklungen, die sich darüber hinaus zwischen anderen Bevölkerungsbruchteilen vollziehen können, z. B. zwischen dem wohlhabendsten Prozent der Bevölkerung und den übrigen Haushalten. Die folgende Abbildung erteilt Auskunft über die Aufteilung des Volkseinkommens (sogenanntes Äquivalenzeinkommen, da es entsprechend der Zusammensetzung der Haushalte bereinigt wurde) zwischen den verschieden Quantilen (Bruchteilen) der Bevölkerung.

Entwicklung der Quantilsabstände

Quelle: Eurostat

In diesem Sinne vergleicht das Verhältnis D10/D1 die Anteile am gesamten Äquivalenzeinkommen, die von den wohlhabendsten 10 % (D10) und von den ärmsten 10 % (D1) der Haushalte bezogen werden. Schwankte dieser Indikator von 1995 bis Mitte der 2000er Jahre noch zwischen 5 und 6 (was bedeutet, dass die reichsten 10 % fünf- bis sechsmal so viel verdienten wie die ärmsten 10 %), zeigt er seither einen deutlichen Aufwärtstrend und überschreitet 2019 sogar den Wert 9. 2021 suggerierte dieses D10/D1-Verhältnis eine Verbesserung, da es gesunken war, doch die Wirkung war von kurzer Dauer, denn 2022 scheint der Indikator wieder in die Höhe zu schnellen, um erneut den Rekord von 2019 zu erreichen. Berücksichtigt man lediglich die wohlhabendsten 2 % (P99 und P100) und vergleicht man ihren Anteil am gesamten Äquivalenzeinkommen mit dem Anteil der mittelosesten 10 %, stellt man fest, dass seit Mitte der 2000er Jahre ein ähnlicher Aufwärtstrend vorliegt. Ganz allgemein deuten sämtliche in der Abbildung oben vorgestellten Kennziffern auf ein zunehmendes Auseinanderdriften der hohen und niedrigen Einkommen seit der Mitte des letzten Jahrzehnts hin, während zwischen 1995 und der Mitte der 2000er Jahre eher ein Rückgang der Kluft zwischen den Einkommen der Spitzen- und Geringstverdiener zu beobachten war.

Entwicklung des Stundenlohngefälles

Quelle: Gesetzesentwürfe zur Änderung von Artikel L. 222-9 des Arbeitsgesetzbuches; Abbildung: CSL

Im Lauf der letzten 20 Jahre ist der durchschnittliche Stundenlohn (SHM) schneller gestiegen als das höchste Gehalt der am schlechtesten bezahlten 20 % der Arbeitnehmer (S20). Tatsächlich ist das Verhältnis zwischen diesen beiden Gehaltsebenen von 1,69 im Jahr 2000 auf 1,92 im Jahr 2021 gestiegen. Die Kluft zwischen dem niedrigsten Gehalt unter den am besten vergüteten 5 % der Arbeitnehmer (S95) und dem Durchschnittsgehalt hat sich noch schneller vergrößert.

In diesem Sinne zeigt die Kumulierung der Zunahme dieser beiden Abstände, dass das Verhältnis zwischen den höchsten 5 % der Gehälter und den niedrigsten 20 % seit 20 Jahren kontinuierlich steigt. 2000 betrug das niedrigste Gehalt unter den am meisten verdienenden 5 % der Arbeitnehmer das 3,65-fache des höchsten Gehalts der am schlechtesten vergüteten 20 %. 2021 erweitert sich dieser Abstand auf 4,40. Außerdem stellen wir fest, dass die niedrigen Gehälter zwischen 2000 und 2021 um beinahe 57 % gestiegen sind, während die Durchschnittsgehälter und die Spitzengehälter einen Anstieg von über 79 % bzw. 88 % aufweisen. Infolgedessen erhöhen die Spitzengehälter das luxemburgische Durchschnittseinkommen, obwohl der Gehaltsanstieg bei zahlreichen Arbeitnehmern im Vergleich zu den hohen Gehältern vermutlich eher gering ausfällt.

Entwicklung der Bruttostundenlöhne

Quelle: Gesetzesentwürfe zur Änderung von Artikel L. 222-9 des Arbeitsgesetzbuches; Abbildung: CSL

(letzte Aktualisierung am 11.09.2023)

Steuerliche Ungleichheiten und Vermögensungleichheiten

Selbst wenn bei der Analyse sozialer Ungleichheiten das Einkommen im Vordergrund steht, darf nicht vernachlässigt werden, dass sich Einkommensungleichheiten aus anderen Formen der Ungleichheit speisen, darunter insbesondere die Vermögensungleichheiten, die seltener untersucht werden und für die entsprechende Daten, die eine gründliche Analyse zulassen würden, viel weniger verfügbar und zugänglich sind.

Zunächst ist es wichtig, zur Kenntnis zu nehmen, dass Vermögensungleichheiten viel stärker ins Gewicht fallen als Einkommensungleichheiten. In diesem Sinne offenbart die Gegenüberstellung der Gini-Koeffizienten für die Vermögens- und Einkommensverteilung, dass die Ungleichheiten bei der Aufteilung des Reichtums innerhalb der Bevölkerung doppelt bis dreifach so hoch ist: Für Luxemburg beträgt der Gini-Index 74,6 anstatt 37,2.

Gini-Koeffizienten des Einkommens nach Steuerabzug und des Vermögens, pro erwachsenem Einwohner, 2021

Daten: World Income Inequality Database, Luxembourg Income und Luxembourg Wealth Study. Abbildung: CSL

Abgesehen von diesen Unterschieden in der Verteilung innerhalb der Bevölkerung zeigt sich eine starke Ungleichheit in Bezug auf den Besitz der verschiedenen Vermögenskategorien innerhalb der Bevölkerung. Konzentriert man sich in diesem Sinne auf den Anteil an den verschiedenen Vermögenskategorien, der sich im Besitz des oberen Dezils der Verteilung befindet, stellt sich heraus, dass jene Einwohner jedes Mal mehr als die Hälfte des Gesamtvermögens besitzen, abgesehen vom Hauptwohnsitz.

Beispielsweise besitzen innerhalb der Bevölkerung 10 % der Haushalte 84 % der nicht als Hauptwohnsitz genutzten Immobilien. Beschränkt man sich allein auf die Haushalte, die weitere Immobilien besitzen, zeigt sich, dass 10 % von ihnen beinahe die Hälfte des Gesamtwertes (48 %) besitzen.

Aufteilung des Vermögens innerhalb der Bevölkerung, Luxemburg, 2018

Hauptwohnsitz Weitere Immobilien Betriebsvermögen Sonstiges Vermögen Barmittel und Finanzanlagen Finanzinvestitionen
Anteil am Gesamt-wert dieser Vermögens-kategorie im Besitz der reichsten 10  % innerhalb der Gesamtbevölkerung 30,8% 83,9% 100% 59,1% 54,0% 97,8%
der Inhaber dieser Vermögenskategorie 22,7% 48,8% 84,4% 57,0% 52,6% 65,0%

Daten: World Income Inequality Database, Luxembourg Income und Luxembourg Wealth Study. Tabelle: CSL

Diese Konzentration wird durch zwei Einflüsse verschärft: Einerseits ist die Vermögenssteuer in Luxemburg weitgehend inexistent, andererseits profitieren die aus dem Vermögen entstehenden Einnahmen von einer steuerlichen Entlastung. Abgesehen von Immobilien, für die eine symbolische Grundsteuer erhoben wird, unterliegt keiner dieser Vermögenswerte als solcher irgendeiner Besteuerung, solange kein Eigentümerwechsel stattfindet. Besteuerbar sind letztlich allein eventuelle Einnahmen, die wiederkehrend (z. B. Zinsen) oder einmalig (wie z. B. Veräußerungsgewinne) sein können. Doch für diese Besteuerung gelten deutlich günstigere Bedingungen als für die Besteuerung der Erwerbseinkommen.

In diesem Sinne sind beispielsweise Finanzinvestitionen steuerfrei, sofern sie länger als 6 Monate gehalten werden, es sei denn, es handelt sich um hohe Beteiligungen (> 10 % des Gesellschaftskapitals des betreffenden Unternehmens), was eine Besteuerung zum halben Gesamtsteuersatz bewirkt. Ein weiteres Beispiel: Bei Eigentümern von Renditeobjekten werden die Mieteinnahmen zwar gemäß dem normalen Steuersatz besteuert, doch sie können durch eine ganze Reihe Kosten im Zusammenhang mit den bezogenen Mieten gemindert werden: Wartung und Reparatur, Energie- und Versicherungskosten, sofern diese nicht auf den Mieter umgelegt werden, Zinsaufwand (ohne jegliche Obergrenze) usw. Daraus entstehen letztlich Situationen, in denen der Vermieter sein besteuerbares Gesamteinkommen auf Null herabsetzt, unabhängig von dessen Herkunft (Mieteinnahmen oder Erwerbseinkommen).

Die Gini-Indexe der aus diesen verschiedenen Kapitalformen hervorgegangenen Einnahmen bilden diese Konzentration des Vermögens auf eine Minderheit der Haushalte ab: Zinsen und Dividenden nähern sich einem Wert von Eins, was bedeutet, dass eine winzige Minderheit allein beinahe von der Gesamtheit dieser Einkommensart profitiert. Ebenso weisen die Mieteinnahmen einen deutlich höheren Gini-Koeffizienten auf als die Gehälter oder Renten der ersten Säule.

Gini-Koeffizient der verschiedenen Einkommenskategorien, Luxemburg 2019


Zinsen und Dividenden / Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit / Mieteinnahmen / Gehälter / Renten (erste Säule)

Daten: World Income Inequality Database, Luxembourg Income und Luxembourg Wealth Study. Abbildung: CSL

Das Ergebnis dieser Betrachtung: Nicht besteuertes Vermögen generiert steuerlich begünstigte Einnahmen, die erneut in den Erwerb von Vermögen investiert werden können, was für die Vermögensinhaber zu einem Schneeballeffekt führt und eine zunehmende Polarisierung der Gesellschaft verursacht. In diesem Sinne hat sich im Großherzogtum seit Mitte der 1980er Jahre der Anteil der Haushalte, deren Erwerbseinkommen den höchsten 20 % der Erwerbseinkommen angehört und deren Kapitaleinnahmen zugleich dem Quintil mit den höchsten Kapitaleinnahmen zugeordnet werden können, von ungefähr 20 % auf 33 % erhöht, was in doppelter Hinsicht eine immer stärkere Konzentration dieser beiden Einkommensformen anzeigt.

Anteil der Haushalte, die zugleich den 20 % mit den höchsten Erwerbseinkommen und den 20 % mit den höchsten Kapitaleinnahmen angehören, Luxemburg

Daten: World Income Inequality Database, Luxembourg Income und Luxembourg Wealth Study. Abbildung: CSL

Wie wird der Zugang zur Gesundheitsversorgung durch Ungleichheiten beeinflusst?

Es ist sinnvoll, die Analyse der wirtschaftlichen Ungleichheiten durch Informationen aus umfassenderen Gebieten, darunter z. B. das Gesundheitswesen, zu vervollständigen.

Die in diesem Bereich anzutreffenden Indikatoren sind nur teilweise objektiv und größtenteils subjektiv, ermöglichen aber dennoch die Herstellung eines Zusammenhangs zwischen dem Lebensstandard und der Erfüllung der Gesundheitsbedürfnisse.

In Bezug auf den Erfüllungsgrad des Untersuchungs- und Behandlungsbedarfs ist in diesem Sinne ab 2010 bei allen Personenkategorien eine rückläufige Tendenz der Zufriedenheit zu beobachten.

Ab 2015 steigt der Zufriedenheitsgrad der verschiedenen Kategorien erneut, doch Arbeitslose weisen bis 2021 in Bezug auf die Erfüllung des Untersuchungs- oder Behandlungsbedarfs (abgesehen von den Jahren 2020 und 2022) die deutlichste Unterversorgung auf. Rentner bilden ihrerseits in der Regel die in diesem Bereich am besten versorgte Personenkategorie (abgesehen von den Jahren 2019, 2020 und 2022).

Erfüllungsgrad des Untersuchungs- oder Behandlungsbedarfs

Quelle: Eurostat

In Bezug auf zahnärztliche Untersuchungen und Behandlungen beobachtet man eine ähnliche Situation mit einer deutlicheren Kluft, d. h. bei der Gesamtbevölkerung sind die Erfüllungsgrade relativ hoch, während die Arbeitslosen bis 2016 mit Abstand das Schlusslicht bilden. 2019 schien sich die Situation gebessert zu haben, und 2020 erreichte der Erfüllungsgrad bei den Arbeitslosen einen Rekordwert, doch seither vergrößert sich die Kluft erneut.

Erfüllungsgrad des zahnärztlichen Untersuchungs- oder Behandlungsbedarfs

Quelle: Eurostat

Die Erfüllung oder Nichterfüllung des allgemein- und zahnmedizinischen Bedarfs wirkt sich natürlicherweise auf den Gesundheitszustand der Betroffenen aus.

Wenn man die Befragten auffordert, ihren Gesundheitszustand zu bewerten, geben Arbeitslose nämlich in der Regel das schlechteste Ergebnis an.

Selbstwahrnehmung des Gesundheitszustandes: Anteil der Personen, die angeben, in schlechter oder sehr schlechter gesundheitlicher Verfassung zu sein

Quelle: Eurostat

Kann Bildung Ungleichheiten beeinflussen?

Dem Bildungssystem wird eine integrative Funktion zugeschrieben. Die Untersuchung der OECD im Rahmen des Programms zur internationalen Schülerbewertung (PISA) befasst sich insbesondere mit dem Einfluss des sozioökonomischen Hintergrunds auf die Lernleistung. Die Ergebnisse der PISA-Studie zeigen, dass zwischen der sozioökonomischen Situation der Familien und der Leistung der Lernenden und der Bildungseinrichtungen ein enger Zusammenhang besteht. Selbst wenn ein sozioökonomischer Nachteil nicht zwangsläufig die Ursache ungenügender Leistungen darstellt, übt der sozioökonomische Hintergrund der Lernenden und der Einrichtungen dennoch einen erheblichen Einfluss auf die Lernergebnisse aus. Das mag daran liegen, dass privilegierte Familien besser in der Lage sind, die in den Einrichtungen vermittelten Lerninhalte zu nutzen, dass Schüler aus privilegierten Milieus hochwertigere Einrichtungen besuchen, oder dass die Bildungseinrichtungen ganz einfach besser gerüstet sind, um Jugendliche aus privilegierten Milieus bei ihrer Entwicklung und Entfaltung zu unterstützen.

In diesem Sinne neigt die Schule dazu, die Auswirkungen des sozioökonomischen Vorteils zu verstärken, anstatt eine gerechtere Aufteilung der Lernkapazitäten und Lernerfolge zu fördern. Und Luxemburg bildet in Bezug auf dieses Phänomen keine Ausnahme. Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass auf dem Staatsgebiet des Großherzogtums proportional eine sehr große ausländische Community lebt, deren Muttersprache nicht zwingend eine der drei im Unterricht verwendeten Amtssprachen ist, was den Lernprozess erschwert.

Die Ergebnisse der PISA-Ausgabe von 2018, die schwerpunktmäßig das Leseverstehen analysierte, offenbaren ebenso wie die früheren Ausgaben die Auswirkungen von Ungleichheiten auf die Bildung. Laut den Ergebnissen dieser Studie gehört Luxemburg im Hinblick auf die Gleichheit zu den schlechtesten Schülern. Zur Einstufung der Lernenden verwendet die PISA-Studie einen sozioökonomischen Index, und die innerhalb dieses Indexes am höchsten bzw. am niedrigsten eingestuften 25 % gelten als privilegiert bzw. benachteiligt.

Bei der Prüfung des Leseverstehens weist Luxemburg die größte Abweichung zwischen den von den privilegierten und benachteiligten Lernenden erzielten Ergebnissen auf, was die Auswirkung des sozioökonomischen Status auf die schulische Leistung veranschaulicht. Die folgende Abbildung zeigt die Abweichung zwischen dem erzielten Durchschnittsergebnis der privilegierten und benachteiligten Lernenden. In diesem Sinne erzielten die privilegierten Lernenden ein Ergebnis von 537, während die benachteiligten Lernenden durchschnittlich einen Punktestand von 415 erreichten. Bei dieser Abweichung handelt es sich um die größte unter allen teilnehmenden Ländern, und sie liegt 33 Punkte über dem Durchschnittswert der OECD-Länder.

Unterschied zwischen den privilegierten und benachteiligten Lernenden bei der Prüfung des Leseverstehens

Quelle: OCDE

Der sozioökonomische Status hängt eng mit dem von einem Schüler/einer Schülerin erzielten Ergebnis zusammen. In diesem Sinne lassen sich bei der Prüfung des Leseverstehens 17,8 % der Differenz in den erzielten Punktwerten durch sozioökonomische Unterschiede erklären. Durchschnittlich sind innerhalb der OECD nur 12 % der Differenz davon betroffen. In Luxemburg lassen sich 18,9 % der Leistungsschwankung in Mathematik durch sozioökonomische Unterschiede erklären, gegenüber 13,8 % in Bezug auf den Durchschnitt der OECD. Am stärksten ist die Auswirkung in Luxemburg bei der Prüfung in Naturwissenschaften, wo 20,9 % der Unterschiede in den Ergebnissen durch den sozioökonomischen Status begründet sind (gegenüber 12,8 % auf OECD-Ebene). Die Abbildung unten zeigt das erzielte Durchschnittsergebnis pro Land und den Einfluss des sozioökonomischen Status auf das Leseverstehen: In diesem Sinne weist unter den OECD-Mitgliedern in der Regel ein Land mit einem niedrigen Ungleichheitsniveau für diese letzte Kompetenz ein besseres Ergebnis auf. Dieser Zusammenhang lässt jedoch nach, wenn man alle teilnehmenden Länder betrachtet und nicht ausschließlich die OECD-Mitglieder. Sowohl in Bezug auf die Leistung als auch in Bezug auf das Gleichheitsniveau liegt Luxemburg unter dem OECD-Durchschnitt. Dagegen scheinen sich Kanada und Estland durch herausragende Ergebnisse auszuzeichnen.

Intensität des Zusammenhangs zwischen der Leistung im Leseverstehen und dem sozioökonomischen Status


Erzieltes Durchschnittsergebnis (in Punkten)

Source : OCDE

Während 2018 der Einfluss des sozioökonomischen Status auf das Leseverstehen und die Leistung in den Naturwissenschaft gegenüber 2006 leicht rückläufig ist, lässt sich dagegen in Mathematik ein größerer Anteil der Leistungsschwankung durch den sozioökonomischen Status erklären als 2006. Dennoch hat sich die Position Luxemburgs im Vergleich kaum gebessert: Während es 2006 sowohl in den Naturwissenschaften als auch im Leseverstehen unter den OECD-Mitgliedern, die an beiden Ausgaben der Studie teilgenommen hatten, den letzten Platz belegte (d. h., dass der sozioökonomische Einfluss hier von allen Teilnehmern am stärksten war) und den siebten Platz vor dem Ende der Einstufung in Mathematik, nimmt Luxemburg 2018 in den beiden ersten Fächern den vorletzten Platz ein, und in Mathematik den fünften Platz vor dem Ende.

Der Unterschied zwischen den privilegierten und benachteiligten Lernenden erscheint ebenfalls offensichtlich, wenn man statt dem Durchschnitt die besten und schlechtesten Leistungen betrachtet. In Luxemburg weisen 7,6 % der Lernenden ein sehr hohes Niveau im Leseverstehen auf. Unter den benachteiligten Lernenden haben nur 1,1 % dieses Niveau erreicht, während es unter den privilegierten Lernenden 18,2 % sind. Bei den schwachen Leistungen verhält es sich umgekehrt: 29,3 % der luxemburgischen Lernenden weisen ein schwaches Niveau im Leseverstehen auf, doch bei den benachteiligten Lernenden liegt dieser Anteil bei 47,7 %, gegenüber nur 10,2 % bei den sozioökonomisch privilegierten Lernenden.

Manche benachteiligte Lernende erzielen trotz der Schwierigkeiten im Zusammenhang mit ihrem sozioökonomischen Status gute Ergebnisse. Diese Überwindung der sozioökonomischen Hindernisse wird in den PISA-Berichten als „Resilienz“ bezeichnet. In diesem Sinne wird ein Lernender als schulisch resilient betrachtet, wenn er zu den 25 % der Schüler mit dem niedrigsten sozioökonomischen Index gehört, aber ein Ergebnis unter den besten 25 % seines Landes erzielt. Im Gegensatz zum obigen Abschnitt, in dem das Niveau der erzielten Ergebnisse absolut definiert wird (anhand einer erreichten Bewertungsschwelle), berücksichtigt die schulische Resilienz ein relatives Qualifikationsniveau. Auf der Grundlage der Prüfung des Leseverstehens erwiesen sich 7,6 % der benachteiligten Lernenden in Luxemburg als schulisch resilient. Wie die nächste Abbildung zeigt, ist diese Quote unter allen teilnehmenden Ländern nur in den Vereinigten Arabischen Emiraten, in Bulgarien und in Peru niedriger.

Prozentualer Anteil der schulisch resilienten Lernenden pro Land


Prozentualer Anteil der benachteiligten, aber schulisch resilienten Lernenden

Quelle: OCDE

Wie in der Einführung erwähnt, erheben sich jedoch so manche kritische Stimmen gegen die Ergebnisse der PISA-Studie, da die Lernenden darin angesichts der Besonderheiten des Schulsystems und der luxemburgischen Situation nicht angemessen repräsentiert sind.

Wie wird Armut definiert und erfasst?

Untrennbar verbunden mit der Problematik der Ungleichheiten ist die Problematik der (relativen) Armut. Die Messung der absoluten Armut, beispielsweise auf der Grundlage eines Mindesttagesbetrags in Dollar oder Euro, also einer Armutsschwelle, wie dies in den Entwicklungsländern praktiziert wird, würde in den hochentwickelten, westlichen Industrieländern selbstverständlich nicht viel Sinn ergeben. Bereits 1776 vertrat der Ökonom Adam Smith die Ansicht, dass lebensnotwendige Güter nicht nur „die für den Lebensunterhalt unverzichtbaren Nahrungsmittel umfassen, sondern auch alle Dinge, die rechtschaffene Menschen, selbst jene der untersten Schicht des Volkes, angesichts der Gepflogenheiten des Landes nicht würdevoll entbehren können.“  („Untersuchung über Wesen und Ursachen des Reichtums der Völker“, Buch V). So gelangt man zu einer relativen Definition von Armut, die je nach den Gepflogenheiten, dem Wohlstandsniveau und der Einkommensaufteilung des jeweiligen Landes unterschiedlich ausfällt.

In der Europäischen Union wird deshalb der Ansatz des relativen Armutsrisikos bevorzugt. Für seine Berechnung wird zunächst die relative Armutsrisikoschwelle bestimmt. Jedes Mitglied eines Haushalts, dessen verfügbares Einkommen unter dieser Armutsrisikoschwelle liegt, gilt daraufhin als armutsgefährdet, oder nach gängigerer Praxis als armutsbetroffen. Im Rahmen des mittlerweile ausgelaufenen Programms „Europa 2020“ verfolgte die Europäische Union eingehend einen Indikator des Armutsrisikos und der Gefahr sozialer Ausgrenzung, der nicht nur dieses relative Armutsrisiko abdeckt, sondern auch die Gefahr einer schwerwiegenden materiellen Unterversorgung und Zugehörigkeit zu einem Haushalt mit sehr niedriger Erwerbsintensität. Aus dieser Perspektive verzeichnet Luxemburg 2022 eine Quote von 19,4 %, während die klassische Risikoquote der Einkommensarmut bei 17,4 % liegt.

Ein weiterer Ansatz zur Erfassung der Armut besteht in der Untersuchung einer anderen Armutsform, die heimtückischer ist und sich nicht in den offiziellen Statistiken spiegelt. Man bezeichnet sie als „versteckte“ Armut. Diese Art von Prekarität ist zu beobachten bei den Verbänden, die sich für die Bekämpfung dieses Phänomens einsetzen, oder auch in den Sozialeinrichtungen der Länder. In diesem Rahmen hat die CSL in Luxemburg die von den Sozialämtern ausgezahlten finanziellen Beihilfen (darunter die Ernährungsbeihilfe) sowie die Kundenanzahl der Sozialkaufhäuser als Indikatoren gewählt.

Wie hoch ist das Armutsrisiko im Großherzogtum und wie entwickelt es sich?

Gemäß der Definition von Eurostat entspricht die Armutsrisikoquote dem Prozentsatz der Personen, deren sogenanntes Äquivalenzeinkommen (unter Berücksichtigung der Haushaltszusammensetzung) niedriger als 60 % des medianen Äquivalenzeinkommens ist. Der Medianwert ist die exakt auf halber Höhe der Vergütungsskala der Gesamtbevölkerung befindliche Einkommensstufe. Für Luxemburg belief sich dieses mediane Äquivalenzeinkommen 2022 auf 45 310 Euro jährlich, woraus sich eine Armutsschwelle von 27 186 Euro jährlich ergibt.

Entwicklung der Armutsrisikoquote

Quelle: Eurostat

In Luxemburg verzeichnete die Armutsrisikoquote zwischen 2011 und 2014 einen deutlichen Anstieg, indem sie von einem Wert knapp über 13,5 % auf 16,4 % im Jahr 2014 kletterte. Analysiert man die Daten für den Zeitraum zwischen 1997 und 2013, zählt Luxemburg zu den Ländern, deren Armutsrisikoquote am stärksten gestiegen ist, da die Erhöhung innerhalb dieses Zeitraums ungefähr 5 Prozentpunkte beträgt, was den stärksten Anstieg im Vergleich zu den Nachbarländern darstellt. (Deutschland kommt auf Platz 2 mit 4 Punkten.)

2022 liegt die luxemburgische Armutsrisikoquote bei 17,4 %, womit sie die vor den 2000er Jahren üblichen Quoten deutlich überschreitet. Außerdem kann die Armutsrisikoquote auf der Grundlage verschiedener Kriterien aufgeschlüsselt werden, beispielsweise anhand des Haushalts, der Altersgruppe oder der Tätigkeit. Diese verschiedenen Aufschlüsselungen dienen einer besseren Eingrenzung der betroffen Bevölkerungsgruppen und sollten von den staatlichen Behörden für die Armutsbekämpfung genutzt werden.

In Bezug auf das anhand der Haushaltsart aufgeschlüsselte Armutsrisiko sind sehr heterogene Situationen anzutreffen. Kinderlose Haushalte sind nämlich weniger dem Armutsrisiko ausgesetzt und weisen 2022 durchschnittlich eine Quote von 12 % auf, während die Armutsrisikoquote der Haushalte mit unterhaltsberechtigten Kindern beinahe bei 22 % liegt.

Armutsrisikoquote nach Haushaltsart

Quelle: Eurostat

Innerhalb der Kategorie der Haushalte mit Kindern sind kinderreiche Familien und Alleinerziehende am stärksten gefährdet. Tatsächlich steigt die Armutsrisikoquote für sie auf 35,5 % bzw. auf 31,9 %.

Beleuchtet man die Frage nach dem Armutsrisiko aus der Perspektive des Erwerbsstatus, stellt sich heraus, dass Arbeitssuchende am stärksten gefährdet sind. Tatsächlich beträgt ihre Armutsrisikoquote beinahe 40 %, was bedeutet, dass sie im Vergleich mit sämtlichen Einwohnern über 18 Jahren ein zweieinhalbmal so hohes Armutsrisiko aufweisen. Für Letztere beträgt die Armutsrisikoquote nämlich nicht mehr als 15,9 %.

Armutsrisikoquote nach Arbeitsmarktstatus

Bevölkerung / Beschäftigte / Selbstständige / Arbeitnehmer / Arbeitslose / Sonstige Nichterwerbstätigte / Nichtbeschäftigte Rentner

Quelle: Eurostat

Gleichzeitig wird sichtbar, dass die Erwerbstätigenarmut ein sehr verbreitetes Phänomen ist: Arbeiten schützt nicht vor Armut. Und diese Situation dauert bereits seit Jahren an. 2022 sind 16,8 % der Teilzeitbeschäftigten und 11 % der Vollzeitbeschäftigten armutsgefährdet. Aufgrund dieser Zahlen nimmt Luxemburg innerhalb der Eurozone in Bezug auf das Armutsrisiko der Vollzeitbeschäftigten den ersten Platz ein und den siebten Platz in Bezug auf das Armutsrisiko der Teilzeitbeschäftigten.

Die Integration in den Arbeitsmarkt schützt folglich nicht zwangsläufig vor Prekarität. Das beweisen die Risikoquote der Arbeitsarmut und ihre Entwicklung: 2003 war ein Erwerbstätiger von vierzig von diesem Phänomen betroffen, knapp zwanzig Jahre später hat jeder siebte Erwerbstätige mit Armut zu kämpfen.

Risikoquote der Arbeitsarmut


Beschäftigte / Arbeitnehmer

Quelle : Eurostat

Trotz der enttäuschenden Ergebnisse Luxemburgs in Bezug auf die Armutsgefährdung der Arbeitssuchenden spielen die sozialen Transferleistungen sowie das Altersversorgungssystem bei der Verringerung dieses Risikos eine bedeutende Rolle.

Wie wirken sich die sozialen Transferleistungen auf die Armutsrisikoquote aus?

Berechnet man die Armutsrisikoquote vor der Auszahlung der sozialen Transferleistungen und Renten, beläuft sich diese 2022 auf 40,9 %. Dank der Renten, die den beschäftigungs- und einkommenslosen Rentnern ausgezahlt werden, verringert sich die Armutsrisikoquote um ungefähr 36 %, um auf beinahe 26,2 % zu sinken.

Schließlich führen die sozialen Transferleistungen für alle Haushalte, welche die Voraussetzungen erfüllen, zu einer zusätzlichen Verringerung um ein Drittel, sodass die Armutsrisikoquote von 17,4 % erreicht wird. Insgesamt bewirken die Renten sowie die sozialen Transferleistungen eine Verringerung der Armutsrisikoquote um 57,5 %.

Armutsrisikoquote vor und nach Auszahlung der Renten und sozialen Transferleistungen


vor jeglicher Umverteilung / nach Auszahlung der Renten und vor Auszahlung der sozialen Transferleistungen / nach Auszahlung der sozialen Transferleistungen und Renten

Quelle: Eurostat ; Berechnungen: CSL

Entwicklung der Auswirkungen der Renten und sozialen Transferleistungen auf die Armutsrisikoquote


Einfluss der Renten / Einfluss der sozialen Transferleistungen

Quelle: Eurostat ; Berechnungen: CSL

Verfolgt man die Entwicklung der Auswirkungen der sozialen Transferleistungen und Renten auf die Armutsrisikoquote im Lauf der Zeit zurück, macht sich der zunehmende Einfluss der sozialen Transferleistungen in den Jahren 2005 bis 2010 bemerkbar. Im Zuge der Verschlechterung der sozialen Situation im Land und des Konjunkturabschwungs nahm das Ausmaß des Einflusses der sozialen Transferleistungen um 50 % zu und dämpfte auf diese Weise den Anstieg der Armutsrisikoquote vor jeglicher Umverteilung in Prozentpunkten.

Allerdings ist dieser Einfluss seit 2010 rückläufig, während sich gleichzeitig ein Anstieg der Armutsrisikoquote anbahnt. 2022 bildet sogar den tiefsten Punkt der Risikominderung.

Versteckte Armut

Abgesehen von den in den vorausgegangenen Abschnitten vorgestellten Informationen existiert in Luxemburg ebenso wie in anderen Ländern eine versteckte Armut, nämlich jene, die in den offiziellen Statistiken kaum oder überhaupt nicht abgebildet wird, und insbesondere Wohnungslose betrifft, aber auch bestimmte Bevölkerungsgruppen, die mit finanziellen Schwierigkeiten konfrontiert sind.

Außerdem spielen die 30 Sozialämter in Luxemburg eine entscheidende Rolle bei der Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung. Der Betrag der nicht rückzahlbaren Beihilfen, die von den Sozialämtern an die Bevölkerung ausbezahlt werden, ist zwischen 2014 und 2019 ununterbrochen gestiegen und anschließend während der beiden Corona-Jahre leicht gesunden. Das Jahr 2022 zeichnet sich durch einen erneuten Anstieg der von den Sozialämtern gewährten Beihilfen aus (+13 % im Vergleich zu 2021). Diese finanziellen Beihilfen decken diverse Erfordernisse ab: Strom, Wasser, Ernährung, Gesundheit, Alltagsbedarf… und zeugen von der Prekarität, mit der bestimmte Haushalte zu kämpfen haben. Abgesehen von den diversen finanziellen Beihilfen und den Beihilfen für den Alltagsbedarf sind zwischen 2021 und 2022 alle Positionen gestiegen, und diese Erhöhung ist am stärksten ausgeprägt bei den Beihilfen für Strom, Gas, Wasser (+30 %), Ernährung (+22 %) und Gesundheit (+ 17 %).

Entwicklungen der von den Sozialämtern ausgezahlten, nicht rückzahlbaren finanziellen Unterstützungen


Haushaltsbeihilfen (Strom, Heizöl, Gas, Wasser, Ernährung, Kommunalabgaben) / Wohngeld / Gesundheit Diverse finanzielle Beihilfen n/a / Alltagsbeihilfen / Verwaltungskosten / Außerordentliche Beihilfen / Humanitäre Nothilfe

Quelle: Ministerium für Familie und Integration

Die Haushaltsbeihilfen stellen die höchsten Beihilfen dar, darunter insbesondere die Ernährungsbeihilfe (76 % der Haushaltsbeihilfe) und das Wohngeld. Da es sich bei Ernährung und Unterkunft um Grundbedürfnisse handelt, erscheint es logisch, dass diese Beihilfepositionen die höchsten Beträge aufweisen.

Entwicklung der von den Sozialämtern gewährten Ernährungsbeihilfe


Ernährungsbeihilfe

Quelle: Ministerium für Familie und Integration

Die Sozialämter sind nicht die einzigen Einrichtungen, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen unterstützen. Tatsächlich gibt es eine ganze Reihe an Institutionen, die sich an bestimmte Personengruppen richten und ihnen spezifische Leistungen anbieten.

In diesem Sinne bieten die Sozialkaufhäuser armutsbetroffenen Menschen Lebensmittel und Hygieneartikel zu Preisen an, die bis zu 70 % niedriger sind als die Großhandelspreise. Seit 2009 sind sie in Luxemburg entstanden und sollten ursprünglich eine zeitlich begrenzte Hilfe darstellen. Doch zehn Jahre später sind sie immer noch vorhanden, nehmen zahlenmäßig zu und zeugen auf diese Weise von einem steigenden Bedarf innerhalb der luxemburgischen Bevölkerung. Sie werden von der Caritas oder vom Roten Kreuz betrieben und verzeichnen eine steigende Anzahl an Nutzern, die von anfangs 4 182 Personen auf beinahe 11 000 Personen einige Jahre nach ihrer Gründung gestiegen ist. Das bedeutet, dass immer mehr Menschen nicht über ein ausreichendes Einkommen verfügen, um ihre primären Bedürfnisse zu erfüllen, wozu insbesondere die Ernährung und die Hygiene gehören. 2019 war mit 9 814 Nutzern von Sozialkaufhäusern ein leichter Rückgang der Inanspruchnahme zu beobachten. Doch seither hat das Nutzeraufkommen munter erneut die 10 000-Kunden-Schwelle überschritten. Das ist kaum verwunderlich, da die Gesundheitskrise von der Energiekrise abgelöst wurde und die am meisten gefährdeten Bürger mit schwierigen Situationen konfrontierte.

Entwicklung der Nutzung von Sozialkaufhäusern

Quelle: Ministerium für Familie und Integration