Was sind die Ungleichheiten?

Die ungleiche Verteilung wertvoller Ressourcen innerhalb einer Gesellschaft führt zu sozialen Ungleichheiten. Aufgrund dessen können die Menschen in Abhängigkeit vom Grad ihres Zugangs zu diesen Ressourcen in verschiedene soziale Gruppen eingeteilt werden.

Meist werden zwei Arten von Ungleichheiten untersucht: Einkommensungleichheiten und Vermögens- oder Wohlstandsungleichheiten. Zur Messung der Entwicklung dieser Ungleichheiten vergleichen die Forscher Einkommens- (oder Vermögens-)verteilungen und präsentieren die erhaltenen Ergebnisse in Form von Indikatoren wie unter anderem dem Gini-Koeffizienten oder dem Quintilverhältnis zwischen den verschiedenen sozialen Gruppen (Quintile).

Ungleichheiten können folglich eine Vielzahl von Formen annehmen. In der Praxis konzentrieren sich die Forscher gleichwohl auf eine begrenzte Anzahl von Ungleichheiten, bei denen es sich in erster Linie um Ungleichheiten handelt, die quantitativ analysiert werden können, d. h. die beziffert werden können und deren Aussagekraft bewertet werden kann, wie beispielsweise die Einkommensungleichheiten. Es werden jedoch auch andere Formen von Ungleichheiten analysiert, deren Auswirkungen auf die Menschen und den Lebensstandard schwieriger zu messen sind, wie beispielsweise in den Bereichen Gesundheit oder Bildung.

Was sind Einkommensungleichheiten und wie haben sie sich entwickelt?

Einkommensungleichheiten sind vielleicht die bekannteste Form sozialer Ungleichheiten und werden als solche auch häufig in den Medien diskutiert.

Dabei werden die nachstehenden drei Einkommensarten berücksichtigt: Arbeitseinkommen, Kapital- oder Vermögenseinkommen sowie Sozialtransfers. Diese drei Einkommensarten werden addiert und in Abhängigkeit von der Zusammensetzung der Haushalte berichtigt, um sie vergleichbar zu machen.

Langfristig ist festzustellen, dass die Einkommensungleichheiten in Luxemburg ansteigen. Bezieht man sich beispielsweise auf das Quintilverhältnis und vergleicht den seitens der 20% der ärmsten Bevölkerung (S20) bezogenen Anteil der Einkommen mit dem seitens der 20% der reichsten Bevölkerung (S80) bezogenen Anteil, so steigt dieses Verhältnis in Luxemburg seit Anfang der 2000er Jahre deutlich an. Das Verhältnis zwischen den jeweiligen Einkommensanteilen dieser beiden sozialen Gruppen lag im Jahr 2003 bei 4, während der Abstand 2019 auf 5,34 angestiegen ist. Was noch hinzukommt: die Wachstumsrate ist in Luxemburg in diesem Zeitraum höher als in allen Ländern der Europäischen Union (EU28).

Entwicklung des S80/S20-Verhältnisses

Evolution du ratio S80/S20

Quelle: Eurostat

Zwar veröffentlicht Eurostat dieses S80/S20-Verhältnis für die Jahre vor 2003 nicht länger direkt, doch nach Maßgabe der erhobenen alten Daten und der nach wie vor möglichen direkten Berechnung dieses Verhältnisses scheint es, als hätte man in Luxemburg im Jahr 2015 erneut das Ungleichheitsniveau von 1995 erreicht (mit Ausnahme einer Unterbrechung der statistischen Reihe im Jahr 2003). In den Jahren 2016 und 2018 scheint sich darüber hinaus eine starke Beschleunigung abzuzeichnen (gleichwohl ist das Jahr 2016 aufgrund neuer methodischer Änderungen ebenfalls durch eine Unterbrechung der statistischen Reihe gekennzeichnet).

Der Gini-Index, der durch die Zusammenfassung der Einkommensverteilung in der Gesellschaft ein weiteres Maß für die Einkommensungleichheit darstellt, zeigt ähnliche Ergebnisse auf, d. h. eine zunehmend ungleichere Einkommensverteilung im Laufe des letzten Jahrzehnts oder sogar im Laufe der letzten 20 Jahre. Wenn die Einkommensverteilung absolut gleich ist, beläuft sich der Gini-Index auf Null; im Falle einer maximalen Ungleichheit (wenn eine Person über das gesamte Einkommen verfügt) beläuft er sich auf 1. Je näher der Gini-Index also auf die Zahl 1 zusteuert, umso größer sind die Ungleichheiten in der Einkommensverteilung. In Luxemburg stieg der Gini-Index zwischen 2003 und 2019 von 0,28 auf 0,32 an und liegt damit deutlich über dem in der Europäischen Union (EU28) ermittelten Ungleichheitsniveau.

Entwicklung des Gini-Index

Quelle: Eurostat

Betrachtet man nun den Gini-Index sowohl vor als auch nach Steuern und Sozialtransfers, lässt sich die Rolle des Staates bei der Verringerung sozialer Ungleichheiten gut veranschaulichen. Der Gini-Koeffizient sank im Jahr 2017 von 0,50 bei einer primären Verteilung der Bruttoeinkommen („Markteinkommen”) auf 0,33 aufgrund der Umverteilung von Steuern durch Sozialleistungen um fast 35%, während sich der Rückgang im Jahr 2015 auf 40% belief. Diese über zwei Jahre hinweg zu beobachtende Verringerung der Auswirkungen der Sozialtransfers spiegelt in Wirklichkeit einen allgemeinen Trend in Luxemburg wider, wo die Berücksichtigung von Sozialtransfers und Steuern früher ein positives Bild in Bezug auf die Einkommensungleichheiten vermittelte, die Situation sich jedoch in der Tat verändert hat: Seit 2010 geht die Rolle von Sozialtransfers an Haushalte im Kampf gegen Ungleichheiten tendenziell deutlich zurück.

Gini-Index vor und nach Sozialtransfers, 2017

Quelle: OECD

Zur noch genaueren Darstellung der Entwicklung der Ungleichheiten ist die Analyse zusätzlicher Quintilverhältnisse interessant. Das oben betrachtete S80/S20-Verhältnis sagt in der Tat nichts über die Entwicklungen aus, die an anderer Stelle zwischen anderen Bevölkerungsgruppen auftreten können, wie beispielsweise zwischen dem wohlhabendsten Prozentsatz der Bevölkerung und dem Rest der Haushalte. Die nachstehende Grafik gibt Auskunft über die Verteilung des Volkseinkommens (das als Äquivalenzeinkommen bezeichnet wird, da es in Abhängigkeit von der Zusammensetzung der Haushalte berichtigt wird) unter den verschiedenen Quintilen (Gruppierungen) der Bevölkerung.

Entwicklung der Quintilabstände

Quelle: Eurostat

So vergleicht das D10/D1-Verhältnis die seitens der 10% der wohlhabendsten Haushalte (D 10) bezogenen Anteile am gesamten Äquivalenzeinkommen mit den seitens der 10% der ärmsten Haushalte (D 1) bezogenen Anteile. Wenngleich dieser Indikator von 1995 bis zur Mitte der 2000er Jahre zwischen den Werten 5 und 6 schwankte (was bedeutet, dass die 10% der reichsten Haushalte 5 bis 6 Mal mehr Einkommen bezogen als die 10% der ärmsten Haushalte), verzeichnete er seither einen deutlichen Aufwärtstrend und überschritt 2019 sogar den Wert von 9. Berücksichtigt man nur die 2% der wohlhabendsten Personen (P99 und P100) und setzt deren Anteil am gesamten Äquivalenzeinkommen mit dem der 10% der ärmsten Personen ins Verhältnis, ist seit Mitte der 2000er Jahre ein ähnlicher Aufwärtstrend festzustellen.

Allgemeiner ausgedrückt, zeigt die Gesamtheit der in der obigen Grafik dargestellten Verhältnisse seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts eine wachsende Divergenz zwischen hohen und niedrigen Einkommen auf, wohingegen zwischen 1995 und Mitte der 2000er Jahre eher ein Rückgang der Abstände zwischen den Einkommen der Wohlhabendsten und der Ärmsten zu beobachten war.

Die Daten des LIS Data Center (ehemals Luxembourg Income Study) ermöglichen es, sich dieser Frage aus einer noch längerfristigen Perspektive zu nähern, ausgehend von der Situation Mitte der 1980er Jahre.

Langfristige Entwicklung der Quintilabstände

Quelle: LIS Data Center; Berechnungen: CSL

Vergleicht man Luxemburg mit Deutschland, so ist festzustellen, dass die Einkommensungleichheiten zu Beginn des Zeitraums in Luxemburg deutlich geringer waren. Dies betrifft insbesondere die Extreme der Verteilung, d.h. die 5% der reichsten (S95) und die 5% der ärmsten (S5) Haushalte. Im Laufe der Zeit haben die Ungleichheiten jedoch einen starken Anstieg verzeichnet und das Verhältnis zwischen S95 und S5 hat sich im Laufe des Vierteljahrhunderts zwischen 1985 und 2010 nahezu verdoppelt und erreichte das Niveau von Deutschland, einem Land, das über den gesamten Zeitraum hinweg deutlich stärkere Ungleichheiten aufwies als Luxemburg.

Zusätzlich zu den Einkommensungleichheiten sollten wir uns auch die Lohnungleichheiten näher betrachten. Somit lässt sich durch die Gegenüberstellung verschiedener Verdienstniveaus auch die Entwicklung der Abstände zwischen den verschiedenen Lohnniveaus nachvollziehen.

Entwicklung des Stundenlohngefälles

Quelle: Gesetzesentwürfe Nr. 7058 und Nr. 7719 zur Änderung von Artikel L.222-9 des Arbeitsgesetzbuches; Grafik: CSL

Im Laufe der vergangenen fünfzehn Jahre ist der durchschnittliche Stundenlohn schneller angestiegen als der höchste Lohn der 20% am schlechtesten bezahlten Arbeitnehmer (S20). Das Verhältnis zwischen diesen beiden Lohnniveaus ist in der Tat von 1,69 im Jahr 2000 auf 1,92 im Jahr 2019 angestiegen. Der Abstand zwischen dem niedrigsten Lohn der 5% der am besten bezahlten Arbeitnehmer (S95) und dem durchschnittlichen Stundenlohn ist noch schneller angestiegen. Somit zeigen die Anstiege dieser beiden Abstände insgesamt, dass das Verhältnis zwischen den 5% der höchsten Löhne und den 20% der niedrigsten Löhne seit 20 Jahren kontinuierlich steigt.

Im Jahr 2000 ist der niedrigste Lohn der 5% am besten verdienenden Arbeitnehmer 3,65 Mal höher als der höchste Lohn der 20% am schlechtesten bezahlten Arbeitnehmer. Im Jahr 2019 steigt dieser Abstand auf 4,40. An dieser Stelle sei auch anzumerken, dass die Niedriglöhne zwischen 2000 und 2019 um nahezu 48% steigen, während sich der Anstieg des durchschnittlichen Stundenlohns auf über 68% und der Anstieg der hohen Löhne auf 78% beläuft. Folglich scheint es, als würde der Durchschnitt der luxemburgischen Löhne durch die höchsten Löhne nach oben gezogen und als würden zahlreiche Arbeitnehmer ihre Löhne im Vergleich zu den hohen Löhnen wahrscheinlich nur geringfügig ansteigen sehen.

Was versteht man unter Vermögensungleichheiten?

Was Vermögensinformationen betrifft, so ist Luxemburg eher schlecht aufgestellt. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern (insbesondere europäischen Ländern), in denen diese Informationen recht leicht verfügbar sind, ist dies im Großherzogtum nicht der Fall.

Gleichwohl nimmt die Luxemburger Zentralbank (BCL) seit 2010 mit der Household Finance and Consumption Survey an einer großen europäischen Umfrage teil, die den Erhalt zuverlässiger Daten über die Vermögenswerte und Verbindlichkeiten der luxemburgischen Haushalte, aber auch der Haushalte der in Luxemburg tätigen Grenzgänger ermöglicht. Auf diese Weise erhält man Informationen über die Zusammensetzung des Vermögens (nach Abzug der Verschuldung) der Haushalte nach Quintil, wie diese von der BCL in der Umfragewelle des Jahres 2018 oder 2014 verarbeitet wurden.

Dabei ist festzustellen, dass die Haushalte des untersten Einkommensquintils (die ärmsten Haushalte) im Vergleich zu den übrigen Quintilen über ein relativ geringes Nettovermögen verfügen und die Bedeutung, die der Hauptwohnsitz in Bezug auf das Gesamtvermögen einnimmt, mit steigendem Haushaltseinkommen tendenziell abnimmt. Der Anteil der Haushalte, die sich im Besitz von anderen Immobilien als ihrem Hauptwohnsitz befinden (als Other Real Estate Property/OREP bezeichnet), steigt hingegen mit steigender Verteilung des Haushaltseinkommens.

Vermögen und Zusammensetzung des Haushaltsvermögens, netto, in Tausend Euro (2010-2018) und brutto in Prozent, 2014

Quelle : BCL

Das Vermögen der Haushalte setzt sich aus den sogenannten Sachanlagen und den Finanzanlagen zusammen. Im Jahr 2018 stellen die Sachanlagen wie Immobilien, Autos und Wertgegenstände den wichtigsten Teil des Gesamtvermögens dar (durchschnittlich 88%). Konzentriert man sich allein auf die Zusammensetzung dieser Sachanlagen nach Haushaltsquintil, ist die bedeutende Rolle des über den Hauptwohnsitz hinausgehenden übrigen Immobilienbesitzes im Vermögensportfolio der Reichsten festzustellen, und dies insbesondere im obersten Einkommensquintil. Dieser Vermögenswert ist ein wichtiger Faktor für Ungleichheiten: Während durchschnittlich 69% der Haushalte einen Hauptwohnsitz besitzen (80% der Einheimischen und 50% der Nicht-Einheimischen), besitzen 26% eine andere Immobilie als ihren Hauptwohnsitz und nur etwa 19% besitzen sowohl einen Hauptwohnsitz als auch eine andere Immobilie.

Für die Haushalte mit den höchsten Einkommen (Q5) haben die sonstigen Immobilien einen mindestens nahezu viermal höheren Wert als für die übrigen Einkommensquintile. Für die wohlhabendsten Haushalte teilt sich der Wert der sich in ihrem Besitz befindenden Immobilien in etwa gleichmäßig auf den Hauptwohnsitz des Haushalts und die sonstigen Immobilien auf. Für die übrigen Quintile bestimmt vor allem der Hauptwohnsitz die Höhe des Vermögens.

Sachanlagen nach Einkommensquintilen, in Euro und in Prozent, 2014

Quelle : BCL

Hier wird die Aufgabe in Abhängigkeit von den Einkommensquintilen (Q) durchgeführt, doch wenn wir die Vermögensquintile der Haushalte heranziehen bzw. lediglich die Haushalte mit Vermögen berücksichtigen, würden sich die Ungleichheiten verstärken. Im Allgemeinen ist das Nettovermögen noch ungleicher verteilt als die Einkommen der Haushalte.

Dieselbe Feststellung gilt für die Finanzanlagen: Die Haushalte des obersten Quintils heben sich deutlich von den anderen ab und verfügen über Finanzanlagen, deren Wert deutlich höher als bei allen übrigen Haushalten ist. Die wohlhabendsten Haushalte verfügen überdies über ein größeres Spektrum an Finanzprodukten als die anderen Haushalte.

Laut BCL „besaßen 2018 die 5% der reichsten Haushalte rund 38% des Gesamtvermögens der Haushalte, während die 20% der reichsten Haushalte fast zwei Drittel besaßen.” Diese Ergebnisse stimmen mit den bereits im Jahr 2014 beobachteten Ergebnissen überein.

Wie wir bereits weiter oben gesehen haben, liegt der Gini-Koeffizient beim Bruttoeinkommen (Markteinkommen) derzeit bei 0,50 (0,33 für das verfügbare Einkommen), beim Nettovermögen jedoch bei 0,65, wobei 1 gleichbedeutend mit vollständiger Ungleichheit ist.

Nach Maßgabe der von Statec verarbeiteten älteren Daten (2007) schien die Vermögenskonzentration insgesamt übermäßig hoch zu sein. Während der Gini-Koeffizient in Bezug auf den Besitz eines Hauptwohnsitzes bei 0,48 lag, stieg er für Finanzanlagen auf 0,85, für die sonstigen Immobilien auf 0,93 (und für das Betriebsvermögen auf 0,99). Betrachtet man lediglich das für den Bau verfügbare Immobiliarvermögen im Jahr 2016, so lag der Gini-Wert laut Angaben der Beobachtungsstelle für Wohnraum (Observatoire de l’Habitat) bei 0,71 und konzentrierte sich allein auf die 15.907 natürlichen Personen, die Bauland besaßen.

Die soeben beschriebenen Vermögensungleichheiten stellen Ungleichheiten zwischen den Quintilen dar, können jedoch auch innerhalb der Quintile auftreten. So nimmt beim Finanzvermögen und beim Immobilienvermögen mit Ausnahme des Hauptwohnsitzes der Grad der Ungleichheit (Daten von 2007) mit steigendem Einkommen innerhalb der Quintile ab. Beim Finanzvermögen sinkt die Vermögenskonzentration von 0,89 für Haushalte des untersten Einkommensquintils (was auf eine höhere Konzentration als im Durchschnitt hindeutet) auf 0,65 für die obersten 1% der Haushalte mit den höchsten Einkommen. In Bezug auf die übrigen Immobilien sinken die durch den Gini-Koeffizienten zusammengefassten Ungleichheiten von 0,95 auf 0,68. Laut Statec „scheinen bei den Geringverdienern starke Ungleichheiten zwischen denjenigen aufzutreten, die über ein Finanzvermögen oder über ein Immobilienvermögen mit Ausnahme ihres Hauptwohnsitzes verfügen [Anm. d. Red.: bei denen es sich häufig um Landwirte handelt], und denjenigen, die nicht über ein solches Vermögen verfügen. Es liegt auf der Hand, dass diese Vermögenswerte eher für einkommensstarke Haushalte zugänglich sind, im Gegensatz zum Hauptwohnsitz, den die meisten Haushalte unabhängig von ihrem Einkommensniveau vorrangig und zuweilen auf Kosten einer erheblichen Verschuldung erwerben möchten.”

Das Gegenstück zu einem höheren Anteil gebietsansässiger Q5-Haushalte (die 20% der reichsten Haushalte), die ein Hypothekendarlehen zum Erwerb ihres Hauptwohnsitzes aufgenommen haben (im Jahr 2018 lag dieser Anteil im Quintil Q5 viermal höher als im Quintil Q1), findet sich schließlich in einem Nettovermögen, das im Quintil Q5 ebenfalls nahezu siebenmal höher ist als im Quintil Q1 (die 20% der ärmsten Haushalte).

Anteil der über ein Hypothekendarlehen verfügenden Haushalte nach Einkommensquintilen, in Prozent, 2018

Quelle : BCL

Wie verstärken steuerliche Ungleichheiten die Einkommens- und Vermögenungleichheiten?

Obwohl wenig bekannt, verschärfen Ungleichheiten in Bezug auf die steuerliche Behandlung die Einkommens- und Vermögensungleichheiten. Da die Steuerverwaltung keine diesbezüglichen Informationen bereitstellt, werden diese Ungleichheiten anhand von Beispielen veranschaulicht.

Im Rahmen der steuerlichen Ungleichheiten ist das Phänomen des „Mittelstandsbuckels” („Mëttelstandsbockel” – genauer gesagt der „Mëttelschichtbockel”, um die mittleren Einkommensklassen im wirtschaftlichen Sinne zu bezeichnen und nicht den Mittelstand im Sinne des deutschen Unternehmertums, der für kleine und mittlere Gewerbetreibende und Unternehmer steht) wahrscheinlich am bekanntesten. Analysiert man die derzeitige Steuertabelle, so wird man sich darüber bewusst, dass Personen mit „durchschnittlichen” Einkommen (und niedrigeren Nominaleinkommen zwischen 11.000 und 45.000 Euro) prozentual zum steuerpflichtigen Einkommen den größten Beitrag zu den Steuern leisten, während für Personen mit höheren Einkommen der Beitrag mit zunehmender Gehaltsstufe sinkt.

« Mittelstandsbuckel »

Quelle: Berechnungen der CSL ausgehend von der Steuertabelle

Zu diesem Phänomen gesellt sich der Kaufkraftentzug aufgrund der anhaltenden Nichtanpassung der Einkommensteuertabelle an die Entwicklung der Lebenshaltungskosten, d. h. an die zwischen 2009 und 2020 stattgefundene Inflation. Wenngleich der neue Tarif aus dem Jahr 2017 dieses Problem gezielt etwas behoben hat, wäre es wünschenswert, eine automatische Anpassung der Steuertabelle an die Inflation vorzusehen, um zu vermeiden, dass die Einkommen – und hierbei insbesondere die niedrigen und mittleren Einkommen, die von den progressiven Steuersätzen am stärksten betroffen sind – mit jedem Ablaufdatum der gleitenden Lohnskala immer stärker besteuert werden.

Schließlich sei daran erinnert, dass die Erwerbseinkommen und somit die Löhne nicht in gleichem Maße von den Steuern belastet werden wie die Kapital- und Vermögenseinkommen (Zinsen, Dividenden usw.). Die Kapitaleinkommen sind aufgrund von Maßnahmen wie beispielsweise der abgeltenden Quellensteuer oder der 50%-igen Steuerbefreiung von erhaltenen Dividenden nur teilweise steuerpflichtig. Wie die nachstehenden Beispiele verdeutlichen, finden auf ein gegebenes Einkommen in Abhängigkeit davon, ob dieses Einkommen ausschließlich aus Löhnen oder aus Kapitaleinkommen besteht, unterschiedliche Steuersätze (bezogen auf das Bruttoeinkommen) Anwendung.

Betrag der fälligen Einkommenssteuer in Abhängigkeit von der Herkunft der Einkommen

Quelle: Berechnungen der CSL ausgehend von der Steuertabelle
Hinweis: Aus Gründen der Vereinfachung werden Steuergutschriften für Arbeitnehmer nicht berücksichtigt, was jedoch nichts an der
Veranschaulichung ändert.

Berechnet man das Verhältnis zwischen den beiden in Abhängigkeit von der Art des Einkommens zu entrichtenden Steuerbeträgen, stellt man fest, dass für die durchschnittlichen Einkommen die größten Diskrepanzen bestehen. Aufgrund bedeutender Steuerbefreiungen für Kapitaleinkommen ist bei der Besteuerung des Erwerbseinkommens ein deutlich stärkerer Anstieg als bei der Besteuerung des Vermögenseinkommens zu verzeichnen, der hier prozentual zum Bruttoeinkommen ausgedrückt ist. Arbeitnehmer am unteren Ende der Einkommensskala zahlen bis zu dreimal und Arbeitnehmer am oberen Ende der Einkommensskala mehr als doppelt so viele Steuern als Rentenempfänger.

Verhältnis zwischen den auf Löhne und auf Kapitaleinkommen fälligen Steuerbeträgen

Quelle: Berechnungen der CSL ausgehend von der Steuertabelle

Welche Auswirkungen haben die Ungleichheiten auf die Gesundheit?

Die Analyse der wirtschaftlichen Ungleichheiten kann sinnvollerweise durch Informationen aus weiter gefassten Bereichen wie beispielsweise dem Gesundheitsbereich ergänzt werden. In diesem Bereich gibt es einige objektive, aber vor allem subjektive Indikatoren, die es dennoch erlauben, einen Zusammenhang zwischen dem Lebensstandard und der Befriedigung der Gesundheitsbedürfnisse herzustellen. Dadurch können auch die Gründe für die Nichtbefriedigung der Gesundheitsbedürfnisse herausgefunden werden.

Was den Zufriedenheitsgrad mit den ärztlichen Untersuchungs- oder Behandlungsbedürfnissen betrifft, so ist seit 2012 somit für sämtliche Kategorien eine Verringerung festzustellen. Seit 2015 steigt der Zufriedenheitsgrad der verschiedenen Kategorien erneut an, doch die Arbeitslosen sind auch 2019 mit der Befriedigung der ärztlichen Untersuchungs- oder Behandlungsbedürfnisse am unzufriedensten, wohingegen die Rentner ihre Bedürfnisse besser befriedigt sehen.

Zufriedenheitsgrad mit den ärztlichen Untersuchungs- oder Behandlungsbedürfnissen (erste Grafik) und Gründe für die Nichtbefriedigung dieser Bedürfnisse (zweite Grafik)

Quelle: Eurostat

Was die Arbeitslosen anbelangt, so erklären sich die Ergebnisse zur Hälfte durch die Tatsache, dass die Behandlungskosten zu hoch sind. Dies entspricht einem viermal höheren Anteil als für die Grundgesamtheit.

In Bezug auf die zahnärztlichen Untersuchungen und Behandlungen ist eine vergleichbare Situation anzutreffen, wobei die Kluft bedeutender ist, d. h. ein relativ hoher Zufriedenheitsgrad für die Grundgesamtheit und die Arbeitslosen hinken bis 2016 deutlich hinterher. Diese Situation scheint sich 2019 erholt zu haben.

Zufriedenheitsgrad mit den zahnärztlichen Untersuchungs- oder Behandlungsbedürfnissen und Gründe für die Nichtbefriedigung dieser Bedürfnisse (zweite Grafik)

Quelle: Eurostat

Auch hier sind die Kosten der Hauptgrund für den Verzicht der Arbeitslosen auf zahnärztliche Untersuchungen und Behandlungen. Im Falle der Zahnmedizin ist es bei den Personen mit anderem Beschäftigungsstatus jedoch ebenfalls recht stark verbreitet, aus diesem Grund nicht auf Zahnbehandlungen zurückzugreifen.

Die Befriedigung oder Nichtbefriedigung der medizinischen Bedürfnisse wirkt sich natürlich auf den Gesundheitszustand der betreffenden Personen aus. Wenn man sie nach der Einschätzung ihres Gesundheitszustands fragt, warten die Arbeitslosen im Allgemeinen mit dem schlechtesten Ergebnis auf.

Selbstwahrnehmung des Gesundheitszustands: Anteil der Personen, die angeben, einen schlechten oder sehr schlechten Gesundheitszustand zu haben

Quelle: Eurostat

Wie kann Bildung Ungleichheiten beeinflussen?

Das Bildungssystem soll eine integrative Funktion erfüllen. Die internationale Schulleistungsstudie der OECD (PISA) untersucht insbesondere den Einfluss des sozioökonomischen Umfelds auf die Lernleistung.

Die Ergebnisse der PISA-Studie zeigen, dass die sozioökonomische Situation der Familien  in engem Zusammenhang mit der Leistung der Schüler und der Schulen steht. Wenngleich die sozioökonomische Benachteiligung nicht durchwegs den Grund für schlechte Leistungen darstellt, so beeinflusst das sozioökonomische Umfeld der Schüler und der Schulen dennoch in starkem Maße die Lernergebnisse. Sei es, dass reiche Familien eher dazu in der Lage sind, von den in den Schulen angebotenen Lernprozessen zu profitieren, dass Schüler aus sozial besser gestellten Haushalten qualitativ hochwertigere Schulen besuchen, oder dass die Schulen schlichtweg besser ausgerüstet sind, um Jugendliche aus sozial besser gestellten Haushalten bei ihrer Entwicklung und Entfaltung zu unterstützen.

Somit neigt die Schule dazu, die Auswirkungen der sozioökonomischen Begünstigung zu reproduzieren, anstatt eine gerechtere Verteilung der Lernmöglichkeiten und Lernergebnisse zu fördern. Luxemburg ist vor diesem Phänomen nicht gefeit. Gleichwohl ist an dieser Stelle anzumerken, dass das Großherzogtum im Verhältnis zu seiner Größe eine sehr große ausländische Gemeinde beherbergt, deren Muttersprache nicht unbedingt eine der drei im Bildungswesen offiziell verwendeten Sprachen ist; dieser Sachverhalt gestaltet den Lernprozess folglich schwieriger.

Anhand der PISA-Studie 2018, bei der der Schwerpunkt auf die Analyse des Leseverständnisses gelegt wurde, verdeutlichen die Ergebnisse wie bereits bei früheren Ausgaben der Studie die Auswirkungen von Ungleichheiten auf die Bildung. Den Ergebnissen dieser Studie zufolge zählt Luxemburg im Bereich Gleichheit zu den schlechtesten Schülern.

Zur Einstufung der Schüler verwendet die PISA-Studie einen sozioökonomischen Index, anhand dessen die 25% der am besten eingestuften Schüler als begünstigt und die 25% der am schlechtesten eingestuften Schüler als benachteiligt betrachtet werden.

Beim Test des Leseverständnisses weist Luxemburg den größten Unterschied zwischen den Ergebnissen der begünstigten und der benachteiligten Schüler auf, was auf den Einfluss des sozioökonomischen Status auf die schulische Leistung hinweist. Die nachstehende Grafik zeigt den Abstand zwischen der seitens der begünstigten Schüler erzielten durchschnittlichen Punktzahl und der seitens der benachteiligten Schüler erzielten durchschnittlichen Punktzahl. Somit erzielten die begünstigten Schüler eine durchschnittliche Punktzahl von 537, während die benachteiligten Schüler im Durchschnitt nur 415 Punkte für sich verbuchen konnten. Dieser Abstand ist der größte unter allen teilnehmenden Ländern beobachtete Abstand und liegt 33 Punkte über dem Durchschnitt der OECD-Mitgliedsstaaten.

Unterschied zwischen begünstigten und benachteiligten Schülern beim Test des Leseverständnisses

Quelle: OCDE

Der sozioökonomische Status ist eng mit dem seitens eines Schülers erzielten Ergebnis verbunden. Beim Test des Leseverständnisses lassen sich in Luxemburg folglich 17,8% des Unterschieds der erzielten Punkte durch sozioökonomische Unterschiede erklären. Im OECD-Durchschnitt lassen sich lediglich 12% des Unterschieds dadurch erklären. In Luxemburg lassen sich 18,9% der unterschiedlichen Leistungen in Mathematik durch sozioökonomische Unterschiede erklären, verglichen mit 13,8% im OECD-Durchschnitt. In Luxemburg zeigen sich die Auswirkungen beim Test der naturwissenschaftlichen Kompetenz am stärksten, wo 20,9% der Unterschiede in den Ergebnissen auf Unterschiede im sozioökonomischen Status zurückzuführen sind (im Vergleich zu 12,8% auf OECD-Ebene).

Die nachstehende Grafik zeigt die nach Land erzielte durchschnittliche Punktzahl und den Einfluss des sozioökonomischen Status auf die Leistung im Leseverständnis: Im Allgemeinen schneidet ein Land mit geringen Ungleichheiten unter den OECD-Mitgliedstaaten bei letztgenannter Fähigkeit besser ab; dieser Zusammenhang lässt jedoch nach, wenn wir alle teilnehmenden Länder und nicht nur die OECD-Mitgliedstaaten betrachten. Luxemburg liegt sowohl in Bezug auf die Leistung als auch in Bezug auf das Gleichheitsniveau unter dem OECD-Durchschnitt, während Kanada und Estland eine Vorbildfunktion einzunehmen scheinen.

Intensität des Zusammenhangs zwischen der Leistung im Leseverständnis und dem sozioökonomischen Status

Quelle: OCDE

Wenngleich der Einfluss des sozioökonomischen Status auf die Leistung im Leseverständnis und in den Naturwissenschaften 2018 etwas weniger stark als 2006 ist, erklärt der sozioökonomische Status im Fach Mathematik hingegen einen größeren Teil der Leistungsschwankungen als 2006. Allerdings hat sich die relative Position Luxemburgs kaum verbessert: Während es 2006 unter den OECD-Mitgliedstaaten, die an beiden Ausgaben der Studie teilgenommen haben, sowohl in Bezug auf die Naturwissenschaften als auch in Bezug auf das Lesen auf dem letzten Platz (d. h. der sozioökonomische Einfluss war dort unter allen Teilnehmern am größten) und in Bezug auf Mathematik auf dem siebtletzten Platz lag, liegt Luxemburg 2018 in Bezug auf die beiden erstgenannten Fächer auf dem vorletzten Platz und in Bezug auf Mathematik auf dem fünftletzten Platz.

Der Unterschied zwischen begünstigten und benachteiligten Schülern scheint ebenfalls unverkennbar, wenn man anstelle der durchschnittlichen Leistung die besten und schlechtesten Leistungen vergleicht. In Luxemburg weisen 7,6% der Schüler ein sehr hohes Niveau im Leseverständnis auf. Unter den benachteiligten Schülern haben lediglich 1,1% dieses Niveau erzielt, verglichen mit 18,2% der begünstigten Schüler. In Bezug auf die schlechten Leistungen ist das Gegenteil der Fall: 29,3% der luxemburgischen Schüler weisen ein niedriges Niveau im Leseverständnis auf, doch für die benachteiligten Schüler beläuft sich diese Rate auf 47,7% verglichen mit nur 10,2% bei den sozioökonomisch begünstigten Schülern.

Bestimmte benachteiligte Schüler erzielen trotz der Schwierigkeiten in Verbindung mit ihrem soziökonomischen Status gute Ergebnisse. Diese Überwindung sozioökonomischer Hindernisse wird in den PISA-Berichten als „Resilienz” bezeichnet. Somit gilt ein Schüler als akademisch resilient, wenn er zu den 25% der Schüler mit dem niedrigsten sozioökonomischen Index zählt, seine Leistungen aber zu den besten 25% des Landes zählen. Im Gegensatz zum vorstehenden Absatz, in dem das Niveau der erzielten Ergebnisse als Absolutwert definiert ist (eine erzielte Notenschwelle), wird bei der akademischen Resilienz ein relatives Leistungsniveau berücksichtigt. Auf Grundlage des Tests des Leseverständnisses sind 7,6% der benachteiligten Schüler in Luxemburg akademisch resilient. Wie die nachstehende Abbildung zeigt, ist diese Quote unter allen Teilnehmerländern lediglich in den Vereinigten Arabischen Emiraten, in Bulgarien und in Peru niedriger.

Prozentsatz der akademisch resilienten Schüler nach Land

Quelle: OCDE

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, wird jedoch kritisiert, dass die Ergebnisse der PISA-Studie angesichts der Besonderheiten des luxemburgischen Schulsystems und der luxemburgischen Situation die Schüler nicht gut repräsentieren.

Wie definiert und misst man Armut?

Beim Thema (relative) Armut handelt es sich um ein mit dem Thema Ungleichheiten verbundenes Thema. In den hochentwickelten westlichen Ländern würde es nicht viel Sinn machen, die absolute Armut zu messen, indem man sich beispielsweise auf einen Mindestdollar- oder Mindesteurobetrag pro Tag und folglich auf eine absolute Armutsgrenze bezieht, wie dies in den Entwicklungsländern gehandhabt wird. Bereits 1776 vertrat der Ökonom Adam Smith die nachstehende Auffassung: „Unter Lebensbedürfnissen verstehe ich nicht bloß Waren, die zum Lebensunterhalt unentbehrlich sind, sondern auch alle die, ohne welche nach Landessitte anständige Leute, selbst des niedrigsten Standes, nicht bestehen können” („Der Wohlstand der Nationen”, Buch V). Auf diese Weise erhält man eine relative Definition von Armut, die in Abhängigkeit von den Gepflogenheiten, dem Wohlstandsniveau und der Einkommensverteilung des betreffenden Landes variiert.

In der Europäischen Union zieht man es folglich vor, auf das Konzept der relativen Armutsgefährdung zurückzugreifen, für deren Berechnung man zunächst die relative Armutsgefährdungschwelle bestimmt. Jede Person, die zu einem Haushalt zählt, dessen verfügbares Einkommen unterhalb dieser Armutsgefährdungsschwelle liegt, gilt infolgedessen als armutsgefährdet oder gängiger ausgedrückt als arm. Die Europäische Union hat im Rahmen der ausgelaufenen Strategie Europa 2020 einen Indikator für die Armutsgefährdung und die soziale Ausgrenzung aus nächster Nähe mitverfolgt, der diese relative Armutsgefährdung aber gleichzeitig auch das Risiko der schweren materiellen Entbehrung und der Zugehörigkeit zu einem Haushalt mit sehr niedriger Erwerbsintensität abdeckt. Luxemburg ist ebenso wie andere Gründungsmitglieder der Europäischen Union von diesem erweiterten Armutsindikator folglich weniger stark betroffen als gegebenenfalls die jüngsten Mitglieder der EU, die sich noch im sozioökonomischen Aufholprozess und in der sozioökonomischen Konvergenz befinden. Während diese neue Quantifizierung der Armut für Luxemburg im Jahr 2018 eine Quote von 21,9% ergibt, liegt die klassische Quote für die Einkommensarmutsgefährdung bei 18,3%

Wie steht es um die Armutsgefährdung?

Der Definition von Eurostat zufolge entspricht die Armutsgefährdungsquote dem Prozentsatz der Personen, die (unter Berücksichtigung der Haushaltszusammensetzung) über ein Äquivalenzeinkommen von weniger als 60% des Median-Äquivalenzeinkommens verfügen (der Median entspricht der Einkommensstufe, die genau in der Mitte der Lohnskala der Gesamtbevölkerung liegt). Für Luxemburg belief sich dieses Median-Äquivalenzeinkommen im Jahr 2019 auf 36.348 Euro pro Jahr, woraus sich folglich eine Armutsschwelle ergibt, die bei 21.809 Euro pro Jahr liegt.

Entwicklung der Armutsgefährdungsquote

Quelle: Eurostat

In Luxemburg stieg die Armutsgefährdungsquote im Zeitraum zwischen 2011 und 2014 von etwas über 13,5% auf 16,4% stark an. Analysiert man die Daten von 1997 bis 2013, zählt Luxemburg zu den Ländern, die mit einem Anstieg von rund 5 Prozentpunkten im besagten Zeitraum den stärksten Anstieg der Armutsgefährdungsquote und auch den stärksten Anstieg verglichen mit seinen Nachbarländern verzeichneten (Deutschland steht an zweiter Stelle mit 4 Prozentpunkten). Im Jahr 2019 beläuft sich die Armutsgefährdungsquote in Luxemburg auf 17,5%, was deutlich über den vor Mitte der 2000er Jahre verzeichneten Quoten liegt.

Auch die Armutsgefährdungsquote kann in verschiedenen Formen angegeben werden, wie beispielsweise nach der Art des Haushalts, der Altersklasse oder der Tätigkeit. Diese verschiedenen Untergliederungen ermöglichen eine bessere Umgrenzung der betroffenen Bevölkerungsgruppen und sollten den Behörden bei der Armutsbekämpfung folglich als Orientierungshilfe dienen.

Was die Verteilung der Armutsgefährdung nach der Art des Haushalts betrifft, so haben wir es mit einer sehr heterogenen Situation zu tun. Haushalte ohne Kinder sind der Armutsgefährdung mit einer durchschnittlichen Quote von 12% im Jahr 2019 weniger stark ausgesetzt, wohingegen die Armutsgefährdungsquote für Haushalte mit unterhaltspflichtigen Kindern bei über 22% liegt.

Armutsgefährdungsquote nach Art des Haushalts

Quelle: Eurostat

In der Kategorie der Haushalte mit Kindern sind die Alleinerziehenden-Haushalte mit der schwierigsten Situation konfrontiert. Ihre Armutsgefährdungsquote beläuft sich auf 41,3%, was bedeutet, dass sie mehr als doppelt so häufig der Armutsgefährdung ausgesetzt sind als die Gesamtheit der Haushalte.

Vergleicht man die Situation der Alleinerziehenden-Haushalte in Luxemburg mit der der übrigen Länder der Eurozone, zählt Luxemburg mit einer um rund 6 und 8 Prozentpunkte höheren Armutsgefährdungsquote als Deutschland und Frankreich zu den Ländern mit dem niedrigsten Schutz vor Armut.

Armutsgefährdungsquote von Alleinerziehenden-Haushalten

Quelle: Eurostat

Was die Armutsgefährdung in Abhängigkeit vom Erwerbsstatus betrifft, ist festzustellen, dass Arbeitsuchende dieser am stärksten ausgesetzt sind. Ihre Armutsgefährdungsquote beläuft sich auf nahezu 48%, wodurch sie einer dreimal so hohen Armutsgefährdung ausgesetzt sind als die Gesamtheit der Personen über 18 Jahren. Bei Letzteren beträgt die Armutsgefährdungsquote lediglich 15,6%.

Armutsgefährdungsquote in Abhängigkeit vom Erwerbsstatus

Quelle: Eurostat

Hierbei ist auch zu erkennen, dass es sich bei Armut am Arbeitsplatz um ein durchaus präsentes Phänomen handelt: Arbeit schützt vor Armut nicht. Und diese Situation verschlechtert sich seit Jahren zunehmend. 2019 sind 18,9% der Teilzeitbeschäftigten und 10,0% der Vollzeitbeschäftigten von der Armutsgefährdung betroffen. Aufgrund dieser Zahlen belegt Luxemburg innerhalb der Eurozone den dritten Platz in Bezug auf die Armutsgefährdung von Vollzeitbeschäftigten und den siebten Platz in Bezug auf die Armutsgefährdung von Teilzeitbeschäftigten.

Gefährdungsquote in Bezug auf Arbeitsarmut

Quelle: Eurostat

Obgleich Luxemburg im Hinblick auf die Armutsgefährdung Arbeitsuchender sehr schlecht abschneidet, spielen die Sozialtransfers und das Rentensystem eine entscheidende Rolle bei der Verringerung dieser Armutsgefährdung.

Welche Auswirkungen haben die Sozialtransfers auf die Armutsgefährungsquote?

Berechnet man die Armutsgefährdungsquote vor Sozialtransfers und Renten, so liegt diese im Jahr 2019 bei 46%. Dank der Renten, die den Rentnern, die ohne Beschäftigung und Arbeitseinkommen auskommen müssen, entrichtet werden, sinkt die Armutsgefährdungsquote um rund 34% auf nahezu 26,5%. Schließlich führen die an alle anspruchsberechtigten Haushalte entrichteten Sozialtransfers zu einer weiteren Verringerung der Armutsgefährdungsquote um ein Drittel auf 17,5%. Letztendlich kann die Armutsgefährdungsquote durch die Entrichtung von Renten und Sozialtransfers somit um 62% gesenkt werden.

Armutsgefährdungsquote vor und nach Renten und Sozialtransfers

Quelle: Eurostat; Berechnungen: CSL

Führt man sich die zeitliche Entwicklung der Auswirkungen von Sozialtransfers und Renten auf die Armutsgefährdungsquote vor Augen, lässt sich ein wachsender Einfluss der Sozialtransfers in den Jahren 2009 und 2010 erkennen. Mit der Verschlechterung der sozialen Situation im Land und mit dem Konjunkturabschwung stieg der Einfluss der Sozialtransfers um 50%, wodurch der prozentuale Anstieg der Armutsgefährdungsquote vor jedweden Transferzahlungen abgefedert werden konnte.

Seit 2010 verringert sich dieser Einfluss jedoch und parallel dazu ist ein Aufwärtstrend der Armutsgefährdungsquote zu beobachten; im Jahr 2019 ist die Eindämmung der Armutsgefährdung sogar auf ein Mindestmaß gesunken. Die Renten hingegen sind von Natur aus unabhängig vom Konjunkturzyklus und ihr Einfluss bleibt folglich über die Jahre hinweg relativ konstant.